Leistungsgruppen
Bislang bestimmt in vielen Bundesländern die ärztliche Weiterbildungsordnung auch die Fachgebietsplanung der Krankenhäuser. So z.B. auch in Hessen, wo die krankenhausplanerischen Festlegungen grundsätzlich auf der Ebene der bettenführenden Gebiete der Weiterbildungsordnung erfolgen. Abgewichen wird davon lediglich in den Bereichen Geriatrie und Herzchirurgie. Beide Teilbereiche werden aufgrund landesindividueller Planungsziele gesondert ausgewiesen.
Bewirbt sich ein Krankenhaus um ein Fachgebiet, beispielsweise um den Versorgungsauftrag in der Neurologie, muss es diesen in der Regel auch umfassend erfüllen. Das heißt, es kann sich nicht nur die vermeintlich wirtschaftlich attraktiven Leistungsbereiche herauspicken. In Ausnahmefällen wird der Versorgungsauftrag im Feststellungsbescheid auf ein bestimmtes Leistungsspektrum eingeschränkt, weil vielleicht nur in einem Teilbereich des Fachs ein zusätzlicher Versorgungsbedarf besteht
Was ist neu im KHVVG?
Künftig sollen die Länder Abstand von der ausschließlichen Orientierung an den ärztlichen Weiterbildungsordnungen der Länder nehmen. Stattdessen soll eine differenzierte Leistungsgruppensystematik Einzug in die Krankenhausplanung der Länder halten. Statt auf die Fächer der Weiterbildungsordnung zu setzen, soll es künftig erst einmal 65 Leistungsgruppen geben (bis 2027), die bereits mit der Anlage 1 des Krankenhaustransparenzgesetzes eingeführt wurden und jetzt auch im KHVVG als Anlage 1 zu § 135e SGB V NEU hinterlegt sind.
Blaupause für die neue Planungssystematik ist das Land Nordrhein-Westfalen, das mit dem Krankenhausplan 2022 diese neue Art der Planung erarbeitet hatte. Aus Nordrhein-Westfalen stammen 60 der 65 Leistungsgruppen.
In der Praxis bedeutet diese neue Art der Planung, dass, um beim Neurologiebeispiel zu bleiben, das Fachgebiet der Neurologie künftig in drei Leistungsgruppen (LG) aufgespalten wird: in die LG Allgemeine Neurologie, die LG Stroke Unit und die LG Neuro-Frühreha.
Das heißt für ein Krankenhaus, dass es auch nur die LG Allgemeine Neurologie oder LG Neuro-Frühreha erhalten kann.
Lediglich für die Zuweisung der LG Stroke Unit sehen die derzeitigen Qualitätskriterien vor, dass auch die LG Allgemeine Neurologie vorhanden sein muss, aber nicht unbedingt die LG Neuro-Frühreha.
Rechtsverordnung regelt künftigen Rahmen
Für jede Leistungsgruppe sollen laut Gesetzesbegründung „insbesondere Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität“ definiert werden, die sich aus Leitlinien ableiten lassen oder auf die beste anderweitig verfügbare Evidenz stützen.
Das können beispielsweise Vorgaben zur personellen und sachlichen Ausstattung sein, aber auch Vorgaben, welche verwandten Leistungsgruppen zusätzlich am Standort vorhanden sein müssen (siehe LG Stroke Unit).
Die genauen Leistungsgruppen und die dazugehörigen Regeln werden in einer Rechtsverordnung des Bundes festgehalten. Diese bedarf der Zustimmung durch die Länder, da Krankenhausplanung eigentlich Ländersache ist.
In der Rechtsverordnung soll auch geregelt werden, welche Qualitätskriterien in Kooperation oder in Verbünden erbracht werden dürfen und in welchen Leistungsgruppen in Einzelfällen von den Qualitätskriterien abgewichen werden darf, wenn ansonsten die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung gefährdet wäre. Die Rechtsverordnung soll auch festlegen, in welchen Leistungsgruppen generell keine Abweichungen möglich sind.
Diese Rechtsverordnung soll nach dem derzeitigen KHVVG-Entwurf bis zum 31. März 2025 mit Wirkung ab dem 01. Januar 2027 erlassen werden.
Bis zum Inkrafttreten der Rechtsverordnung im Januar 2027 sollen erst einmal die Leistungsgruppen mit den dazugehörigen Qualitätskriterien aus der Anlage 1 des KHVVG (§ 135e SGB V NEU) gelten.
Um auch ein gewisses Fallzahlvolumen je Leistungsgruppe sicherzustellen, sollen je Leistungsgruppe Mindestvorhaltezahlen definiert werden. An diese Mindestvorhaltezahl ist auch die künftige Vorhaltevergütung geknüpft.
Probleme
Die geplanten Leistungsgruppen und deren Vorgaben gilt es, auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Untenstehend zeigen wir anhand von drei Beispielen, wo z.B. noch Verbesserungsbedarf besteht. Die Liste ist nicht abschließend.
Beispiel Schlaganfall-Behandlung:
Die LG Stroke Unit unterscheidet, anders als die LG Allgemeine Neurologie nicht zwischen Fachkrankenhäusern und Allgemeinkrankenhäusern. Dies führt dazu, dass Neurologische Fachkliniken, die in einigen Bundesländern eng in die Schlaganfallversorgung eingebunden sind (Fallzahlen Schlaganfälle > 500 Fälle p.a.), nach der derzeitigen Anlage 1 zum § 135e SGB V NEU auch die LG Allgemeine Innere Medzin am Standort vorhalten müssten. Diese Fachabteilung ist bei den Neurologischen Fachkliniken jedoch oft nicht vorhanden. Bleibt es dabei, müssten die Fachkliniken entweder eine solche Abteilung aufbauen oder sie würden die Voraussetzungen der LG Stroke Unit nicht erfüllen und damit keine Chance auf eine Zuteilung haben.
Insofern sollte auch in der LG Stroke Unit nach Krankenhausart unterschieden werden, um bewährte Strukturen am Netz zu halten.
Stichwort Belegärzte in der Leistungsgruppenwelt
Belegärzte könnten künftig nur noch in den LG Augenheilkunde, LG MKG, LG Allgemeine Frauenheilkunde und LG HNO eingesetzt werden, wenn man auf die Anlage 1 des § 135 e SGB V NEU schaut. Denn bei allen anderen Leistungruppen ist eine Anrechnung bei der personellen Ausstattung derzeit nicht möglich, obgleich deutschlandweit viele Belegärzte auch in anderen Fachgebieten tätig sind. Auch hier gilt es, die Konsequenzen für die Praxis bis zu Ende zu durchdenken und nachzusteuern.
Exkurs LG Neuro-Phase B
Die neurologische Frührehabilitation hat sich in den vergangenen Jahren zu einem immer weitergehenden festen Bestandteil der Patientenversorgung entwickelt. Auf Grund der hohen Bandbreite an Schweregraden ist es erforderlich diese Unterscheidungsmerkmale und die damit verbundenen Kriterien bei einem neuen Konzept von Leistungsgruppen zu berücksichtigen.
Daher ist eine Spezifizierung innerhalb der Leistungsgruppe erforderlich in:
- Leistungsgruppe Neuro-Frühreha Phase B
- Leistungsgruppe Neuro-Frühreha Phase B Komplex/High-Care
Zu den Struktur- und Prozesskriterien
- Bei der Leistungsgruppe neurologische Frührehabilitation Phase B ist die Leistungsgruppe Intensivmedizin in Kooperation als Auswahlkriterium ausreichend. Die Leistungsgruppe der Neuro-Frühreha Phase B sollte als zusätzliche Mindestvorgabe die telemedizinische Kooperation mit der Leistungsgruppe Phase B Komplex/High-Care umfassen.
- Bei der Vergabe der Leistungsgruppe neurologische Frührehabilitation Komplex/High-Care sollten folgende Qualitätskriterien angewendet werden:
- Leistungsgruppe Intensivmedizin - komplex (Mindestvoraussetzung)
- Zertifiziertes neurologisches Weaningzentrum (Auswahlkriterium)
Planungsbereiche
- Die Leistungsgruppe Neuro-Frühreha Phase B Komplex/High-Care ist ein hochspezifischer Versorgungsauftrag und daher bundeslandübergreifend zu planen.
- Die Leistungsgruppe Neuro-Frühreha Phase B ist ein spezifischer Versorgungsauftrag und daher auf Ebene der Versorgungsgebiete zu planen.