Vorhaltevergütung
Versuch eines Einblicks in die Vorhaltevergütung
Künftig sollen Krankenhäuser 60 Prozent ihrer Betriebskosten über eine Vorhaltevergütung decken können. Hierfür wird das bestehende Fallpauschalensystem, das 2004 verpflichtend für alle somatischen Krankenhäuser eingeführt wurde, weiter ausgehöhlt.
Bereits 2020, mit der Einführung des Pflegebudgets, wurde die Zeit etwas zurückgedreht, denn seitdem gilt für die Pflege am Bett wieder das Selbstkostendeckungsprinzip. Mit der Vorhaltevergütung soll nun ein weiterer Schritt weg vom DRG-System gegangen werden. Die Krankenhäuser sollen damit – so wird es häufi g dargestellt – eine Art „Existenzgarantie“ bekommen, indem sie weitestgehend unabhängig von der Leistungserbringung werden und damit ein Stück weit den vermeintlichen ökonomischen Zwängen entkommen können. In der politischen Diskussion wird hierfür oft der Vergleich mit der Feuerwehr herangezogen. Diese würde schließlich auch nicht nur nach der Zahl der Brände finanziert, also dürfte auch das Krankenhaus nicht (ausschließlich) nach dem Patientenaufkommen vergütet werden. Dass dieser Vergleich mehr als hinkt, steht auf einem anderen Blatt.
Kritik am DRG-System
Das deutsche DRG-System stand in den letzten Jahren verstärkt in der Kritik. Bemängelt wurde vor allem, dass dieses einen zu starken Anreiz für eine fallzahlinduzierte Mengenausweitung setze. Dies schade nicht nur den Patienten (vermeintlich unnötige Operationen), sondern führe zu einem hohen Arbeitsaufkommen auf den Stationen, weil sich zu wenige Mitarbeiter in kurzer Zeit um zu viele Patienten kümmern müssten. Um etwas Druck aus dem System zu nehmen, wurde 2020 das Pflegebudget eingeführt. Die Vorhaltevergütung soll nun vor allem der Mengenausweitung einen Riegel vorschieben.
Vorhaltebudget – wer hat den Hut auf?
„Für die Zahlung eines nach Ländern und Leistungsgruppen differenzierten Vorhaltebudgets an die Krankenhäuser erhält das InEK [Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus] den Auftrag, die Mittel aus den bestehenden Fallpauschalen auszugliedern, die Fallpauschalen werden abgesenkt“, so heißt es in der Gesetzesbegründung zum KHVVG (S. 124). Für die Einführung der neuen Finanzierungssystematik soll eine Konvergenzphase bis Ende 2028 gelten. Das InEK ist beauftragt, erstmals 2025 einen Fallpauschalenkatalog zu präsentieren, der Vorhaltebewertungsrelationen enthält.
Am Anfang stehen die Vorhaltebewertungsrelationen
Die Berechnung des Vorhaltebudgets ist sehr komplex. Vereinfacht dargestellt, bilden auch wie bislang die Daten, die zur Kalkulation der bundeseinheitlichen Bewertungsrelationen herangezogen werden, die Basis für die Berechnung der Vorhaltebewertungsrelationen. Aus dieser Kostenmatrix werden die variablen Sachkosten abgezogen. Das sind solche, die einem Fall explizit zugeordnet werden können, wie beispielsweise Knie- oder Hüftimplantate. Aus diesem verminderten Wert soll das InEK 60 Prozent der Kosten ausgliedern. Inkludiert sind dabei die Pflegepersonalkosten
in der unmittelbaren Patientenversorgung, denn diese gelten auch als Vorhaltekosten.
Vorhaltevolumen je Land und Leistungsgruppe
In einem zweiten Schritt hat das InEK den Auftrag, je Land und je Leistungsgruppe ein Vorhaltevolumen zu ermitteln. Hierfür werden alle nach bundeseinheitlichen Bewertungsrelationen abgerechneten Fälle eines Landes herangezogen, mit den Vorhaltebewertungsrelationen bewertet und in
Verhältnis zu den anderen Bundesländern gesetzt. Fälle von Krankenhäusern, die zu sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen bestimmt wurden, fließen nicht in die Berechnungen mit ein, weil für diese Art Einrichtung eine andere Finanzierungssystematik gilt. Das Vorhaltevolumen des Landes wird dann auf die Leistungsgruppen verteilt.
Vorhaltebudget je Krankenhaus
Im letzten Schritt erfolgt die Zuteilung eines Vorhaltebudgets auf den jeweiligen Krankenhausstandort und die ihm zugewiesenen Leistungsgruppen. Für die Ermittlung des Vorhaltebudgets des einzelnen Krankenhauses werden je Leistungsgruppe Fallzahl und -schwere betrachtet und in Relation zu Krankenhausstandorten gesetzt, die auch über diese Leistungsgruppe verfügen. Dies ergibt dann den Anteil des Krankenhauses am Gesamtvorhaltevolumen der Leistungsgruppe. Je höher der Anteil des Krankenhausstandorts ist, desto höher die Vorhaltevergütung, so das Versprechen. Bis zum 10. Dezember eines jeden Jahres teilt das InEK dem Krankenhausträger das Gesamtvorhaltevolumen per Bescheid mit.
Dieser Prozess der Ermittlung des Anteils des Krankenhausstandorts an der Vorhaltevergütung der Leistungsgruppe soll anfangs alle zwei Jahre und später nur noch alle drei Jahre ausgeführt werden. Fallzahlschwankungen von unter 20 Prozent (+/-) sollen dabei nicht ins Gewicht fallen. Krankenhausschließungen und -zusammenschlüsse (Aufzählung nicht abschließend) lösen eine frühere Vorhaltevolumenberechnung aus.
Kritik an der Vorhaltevergütung
Ob die Vorhaltefi nanzierung in ihrer angedachten Form den erwünschten Effekt bringen wird, muss die Zukunft zeigen. Zweifel sind angebracht, da auch im künftigen, vermeintlich entökonomisierten DRG-System eine Orientierung an der Fallzahl erfolgen wird. Hinzu kommt die extrem komplexe Form der Berechnung. Mit Entbürokratisierung und einer Vereinfachung des Krankenhausfi nanzierungssystems hat das alles wenig zu tun.
Zu hinterfragen ist auch, weshalb Universitätskliniken und Maximalversorger ein Vorhaltebudget benötigen sollen, wo sie doch durch die geplante Konzentration von Leistungen eine hohe Auslastung ihrer Einrichtungen sicherstellen werden.
Alles in allem gilt es, sich auch mal wieder den Grundsatz des Krankenhausfi nanzierungsgesetzes in Erinnerung zu rufen, wonach Krankenhäuser eigenverantwortlich wirtschaftende Unternehmen sind. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorhaltevergütung diesen Grundsatz nicht konterkariert.
Förderbeträge und Zuschläge ab 2027
Neben der Vorhaltefinanzierung, die nicht mehr Geld ins System fließen lässt, werden im Entwurf des KHVVG zusätzlich noch Förderbeträge und Zuschläge ab 2027 in Aussicht gestellt. Untenstehend eine Übersicht:
§ 39 Abs. 1 KHG (NEU) KHVVG
- Förderbetrag Pädiatrie 288 Mio. Euro
- Förderbetrag Geburtshilfe 120 Mio. Euro
- Förderbetrag Stroke Unit 35 Mio. Euro
- Förderbetrag Spezielle Traumatologie 65 Mio. Euro
- Förderbetrag Intensivmedizin 30 Mio. Euro
§ 38 Abs. 1 KHG (NEU)
- Zuschlag für Koordinierungsaufgaben 125 Mio. Euro. Infrage kommen nur Level-3U- (Universitätsmedizin) oder Level-3-Häuser (Maximalversorger nicht-universitär)
§ 38 Abs. 2 KHG (NEU)
- Zuschlag für spezielle Vorhaltung von Unikliniken 75 Mio. Euro
- Erhöhung bisheriger Zuschläge siehe § 9 Abs. 1a Nr. 5 KHG (NEU)
- Zuschlag Notfallversorgung 33 Mio. Euro